Schnitzführerschein für alle Altersklassen

Warum Schnitzen mehr ist als Holz bearbeiten

 

Schnitzen ist weit mehr als das bloße Formen von Holz – es ist eine uralte Kulturtechnik, ein Handwerk mit Geschichte und eine Möglichkeit, sich mit der Natur zu verbinden. In einer Zeit, in der viele Kinder und Jugendliche zunehmend digital leben, bietet das Schnitzen eine wertvolle Rückbesinnung auf handwerkliches Können, Achtsamkeit, Geduld und Kreativität. Unser „Schnitzführerschein“ führt junge Teilnehmer*innen spielerisch und in drei aufeinander aufbauenden Leveln in die Welt des Schnitzens ein. Dabei setzen wir auf Methoden der Wildnispädagogik, die eine tiefe Naturverbindung und ein ganzheitliches Lernen mit Kopf, Herz und Hand ermöglichen.


Schnitzführerschein - Level 1

Grundlagen des Schnitzens - Einführung in ein uraltes Handwerk

 

1. Die Schnitzregeln – Sicherheit zuerst!

 

Bevor das erste Stück Holz bearbeitet wird, lernen die Kinder die goldenen Regeln des Schnitzens kennen. Diese Regeln sind nicht nur wichtig für die eigene Sicherheit, sondern auch für die der Gruppe. Wir vermitteln sie durch spielerische Übungen, Bewegungsspiele und kleine Rollenspiele.

Historisch betrachtet war Sicherheit auch bei den indigenen Völkern und alten Handwerkszünften ein zentraler Bestandteil jeder Ausbildung. Werkzeuge galten als wertvoll und gefährlich zugleich – der Umgang mit ihnen musste respektvoll und bewusst erfolgen.

 

2. Erste Schnitztechniken – Vom Span zum Werkstück

 

In praktischen Übungen lernen die Kinder Grundtechniken wie den Daumenschnitt, den Ziehschnitt und das sichere Halten des Schnitzmessers. Diese Techniken werden durch kleine Projekte – z. B. ein Buttermesser, eine Zwergenfigur oder ein Holztier – angewandt und gefestigt.

Schon in der Steinzeit nutzten unsere Vorfahren ähnliche Techniken, um Werkzeuge, Schmuck oder Gebrauchsgegenstände herzustellen. Schnitzen war damals Überlebenskunst – heute ist es ein Weg, diese uralten Fähigkeiten wieder zu entdecken.

 

3. Materialkunde und Werkzeugpflege – Holz lebt!

 

Welches Holz eignet sich zum Schnitzen? Warum ist frisches Holz anders als trockenes? Und wie pflege ich mein Schnitzmesser richtig?

Die Kinder lernen heimische Holzarten kennen und erfahren, wie man Werkzeuge pflegt, schärft und sicher aufbewahrt. Diese Achtsamkeit gegenüber Material und Werkzeug hat auch eine ethische Dimension – sie zeigt, dass man Ressourcen respektvoll und nachhaltig nutzt.

 

4. Rechtliche Grundlagen – Was darf ich, was nicht?

 

Auch das gehört dazu: Wo darf man schnitzen? Was muss man im Wald beachten? Welche Vorschriften gelten für das Mitführen eines Messers? In kindgerechter Sprache und mit anschaulichen Beispielen klären wir diese Fragen und fördern so ein verantwortungsvolles Verhalten im öffentlichen Raum und in der Natur.

Abschließende Gedanken: Die Rückkehr zu alten Fähigkeiten

 

Das Schnitzen mit natürlichen Materialien, das Nutzen des Feuers, das Arbeiten mit den Händen – all das sind uralte Fähigkeiten, die in unserer Gesellschaft fast vergessen wurden. Der Schnitzführerschein hilft, dieses Wissen zu bewahren und an die nächste Generation weiterzugeben.

 

In Zeiten von Umweltkrisen, Entfremdung von der Natur und zunehmender Reizüberflutung bietet dieser Kurs einen wertvollen Gegenpol: Er lehrt Selbstwirksamkeit, Respekt vor Ressourcen und Freude am einfachen Tun. Und er gibt Kindern und Jugendlichen das Gefühl, selbst Teil der natürlichen Welt zu sein – verbunden, kreativ und lebendig.

Schnitzführerschein - Level 2

Vertiefung & Vielfalt – Neue Techniken, neue Möglichkeiten

 

Im zweiten Level des Schnitzführerscheins vertiefen wir die Grundlagen aus dem ersten Kurs und erweitern sie um neue, kreative und anspruchsvollere Techniken. Dabei stehen das handwerkliche Können, das kreative Ausdrucksvermögen und die Verbindung zur Natur weiterhin im Mittelpunkt.

 

1. Wiederholung und Verfeinerung der Grundtechniken

 

Bevor wir neue Techniken einführen, festigen wir zunächst die bisher gelernten Fähigkeiten:

 

Sicherer Umgang mit dem Messer

Haltung und Körperposition

Verständnis für Holzstruktur und Maserung

  

Mit gezielten Übungen und kleinen Aufgaben, wie dem Nachschnitzen bekannter Figuren oder dem Nachahmen natürlicher Formen (z. B. Blätter, Federn), stärken die Kinder ihr handwerkliches Fundament.

  

2. Erweiterte Schnitztechniken – Vom Relief bis zur Rundform

 

In diesem Level führen wir mehrere neue Techniken ein, die aus der traditionellen Schnitzkunst stammen:

 

Kerbschnitt (Reliefschnitzen)

Hierbei werden V-förmige Kerben ins Holz geschnitten, um Ornamente, Buchstaben oder Muster darzustellen. Diese Technik wurde seit dem Mittelalter in der Volkskunst eingesetzt – z. B. zum Verzieren von Löffeln, Schalen oder Möbeln. Kinder schnitzen einfache Muster oder ihren Namen in ein Holzstück.

Rundschnitzen (Dreidimensionales Arbeiten)

Jetzt wird’s räumlich: Beim Rundschnitzen geht es darum, Formen von allen Seiten zu gestalten – z. B. Tiere, Figuren oder kleine Totems. Die Kinder lernen, wie man mit mehreren Schnittebenen arbeitet und sich dem Werkstück schrittweise annähert. Diese Technik wurde in vielen Kulturen verwendet, z. B. bei den nordischen Holzfiguren oder in der japanischen Netsuke-Schnitzkunst.

Zapfenschnitzen

Eine kreative und kindgerechte Technik, bei der Tannenzapfen mit kleinen Holzelementen und Figuren kombiniert werden. Ideal für das freie Gestalten.

  

3. Projektarbeit: Schnitzspiele und Werkstücke

  

Jede*r darf ein eigenes Projekt entwickeln – ob ein geschnitztes Spielfeld samt Figuren, ein Tier aus mehreren Holzelementen oder ein Musikinstrument (z. B. eine Rassel). Die Kreativität steht im Vordergrund, unterstützt durch die gelernten Techniken.

 

4. Achtsamkeit & Naturverbindung – Die innere Haltung beim Schnitzen

 

Wildnispädagogisch setzen wir wieder auf Rituale, Geschichten und Beobachtungsübungen. Die Kinder lernen, welche Pflanzen und Hölzer gerade wachsen, wie Tiere den Wald formen – und wie wir als Menschen mit Respekt in diesen Kreislauf eintreten. Beim Schnitzen geht es dabei nicht nur ums „Machen“, sondern auch ums „Sehen und Spüren“.

Schnitzführerschein - Level 3

Der große Abschluss – Ein Löffel entsteht

 

Level 3 ist der Höhepunkt des Schnitzführerscheins: Die Kinder schnitzen ein voll funktionsfähiges Gebrauchsobjekt – ihren eigenen Holzlöffel. Dieses Projekt vereint alle bisher erlernten Fähigkeiten, fördert Geduld und Durchhaltevermögen und bringt ein tiefes Erfolgserlebnis mit sich.

  

1. Wiederholung & Sicherheit

  

Wir starten mit einem Rückblick auf Level 1 und 2:

 

Sicherheitsregeln

Materialkunde

Werkzeugpflege

Techniken und Haltung

  

In einer gemeinsamen Runde am Lagerfeuer teilen die Kinder, was sie bisher gelernt haben – so wird Wissen wiederholt, vertieft und miteinander verknüpft.

  

2. Löffelschnitzen – Technik & Aufbau

 

Ein Löffel besteht aus mehreren Teilen: Stiel, Übergang, Laffe (Schale). Um ihn herzustellen, braucht es gezielte Arbeitsschritte:

 

Auswahl des richtigen Holzes (z. B. Birke, Weide, Hasel)

Rohform herausarbeiten mit ziehenden und schiebenden Schnitten

Glätten und Nachbearbeitung

 

Hier lernen die Kinder besonders sorgfältiges Arbeiten: Der Übergang zwischen Stiel und Laffe erfordert Feingefühl – ein idealer Moment, um über das Thema Geduld und Ausdauer zu sprechen.

 

3. Glutbrennen – Die Kraft des Feuers nutzen

 

Für die Aushöhlung der Laffe nutzen wir eine archaische Methode: das Glutbrennen.

 

Wie funktioniert es?

Ein Stück glühende Holzkohle wird gezielt auf die Laffe gelegt. Mit kontrolliertem Pusten, kleinen Hölzchen oder einem Blasrohr wird die Glut in der gewünschten Stelle gehalten, bis das Holz dort verkohlt. Anschließend wird das verbrannte Material mit einem Löffel, Stein oder Messer entfernt. Schritt für Schritt entsteht so die Aushöhlung des Löffels.

 

Historischer Hintergrund:

Diese Technik wurde weltweit von indigenen Völkern genutzt – etwa von den nordamerikanischen First Nations, den Wikingern oder den sibirischen Jägervölkern. Sie war besonders dann wichtig, wenn keine Metallwerkzeuge zur Verfügung standen. So konnten auch harte Hölzer bearbeitet werden. Das Glutbrennen verbindet Elementewissen (Feuer, Luft, Holz) mit handwerklicher Präzision – ein faszinierendes Erlebnis für Kinder.

 

 

4. Abschlussritual & Zertifikat

 

 

Zum Ende des Kurses feiern wir ein gemeinsames Ritual – z. B. ein „Schnitzfest“ mit Stockbrot, Lagerfeuer und einer kleinen Ausstellung der Werke. Jedes Kind erhält sein Schnitzführerschein-Zertifikat Level 3 und darf seinen Löffel mit nach Hause nehmen – als Symbol für sein Können, sein Durchhaltevermögen und seine Naturverbundenheit.